Retro liegt fast schon wieder so lange im Trend, dass es wieder wahrhaft alt ist. Aber wir lieben nun mal nostalgisch anmutende, vertraute Formen und den Charme vergangener Tage, als alles besser war – selbst die Typografie. In der heutigen Zeit kann beinahe jeder mit einer Schriftsoftware eigene Fonts erstellen und ebenso leicht vermarkten, auf jeden neuen Hype springen sofort unzählige Font-Designer auf. Es ist schwer geworden, sich in diesem Dschungel zurechtzufinden. Doch die positiven Aspekte dieser Entwicklung sind nicht von der Hand zu weisen – zu jeder Emotion, zu jedem Szenario gibt es eine passende und meist bezahlbare Schrift, die Vielfalt ist unerschöpflich geworden. Aber was genau liegt auch im Trend? Hier sind die ultimativen Tipps für eine gute Schriftgestaltung auch im kommenden Jahr.
1. Handwritten
Script Fonts und Handwritten Fonts sind nicht neu und auch nicht seit gestern im Trend, aber sie befinden sich gerade im Zenit ihres erneuten Höhenfluges. Bereits in der Nachkriegszeit erfüllten die geschwungenen Pinselschriften die Werbetafeln mit ihrem Charme und traten vor ein paar Jahren ihren Siegeszug vor allem im Lifestyle- und Logobereich an. Natürlich sollte jedem Designer klar sein, dass diese schnörkeligen Kitschmonster nur für dekorative Headlines gedacht sind – bei übermäßigem Gebrauch oder in Verbindung mit einem seriösen Firmen-Corporate kann das auch mal ein wenig nach Omis altem Blümchenrock aussehen. Richtig eingesetzt kann ein moderner Font wie die Hipster Script oder die Powder Script wunderbar Emotionen transportieren und ist so individuell und persönlich wie eine Unterschrift. Einzigartige Wortmarken erhalten einen hohen Wiedererkennungswert, verbunden mit Sympathie und Charme – so geschehen bei Instagram und Vimeo.
2. Slab it!
Slab Serifs – das sind kraftvolle Schriften im Stil von Sans Serifs – nur eben doch mit Serifen, welche in gleicher Strichstärke blockartig für einen starken Ausdruck sorgen. Sie geben ihren Headlines einen hohen Wiedererkennungswert und sind vor allem beim Webdesign momentan eine große Nummer. Slab Serifs sind hinreichend konservativ und seriös, um mit ihrer Vielseitigkeit und Ausdauer für jeden Zweck geeignet zu sein, aber auch individuell genug, um eigen und manchmal sogar etwas verspielt zu wirken. Sie stellen sowohl beeindruckende Headlines und Logos als auch starke Subheads und Zitate, für einen längeren Fließtext sind sie meist eine Spur zu mächtig. Paradebeispiele sind die Nexa Slab, Roboto Slab, Museo Slab und – fast schon ein moderner Klassiker – die Caecilia.
3. Hipster Hurray
Die ersten Hipster waren wohl die Bauhaus-Jünger um Jan Tschichold und László Moholy-Nagy. Mit ihrer Elementaren Typografie erlebten die geometrischen und abstrakten Schriften in den 1920er Jahren ein erstes Hoch. Bekannte und futuristische Entwürfe wie die ITC Avant Garde Gothic trieben diesen Trend in den 70ern voran, bis die Hipster des 21. Jahrhunderts ihn endlich für sich entdeckten. Mit gar an nordische Runen erinnernden und mit Ethno-Elementen versehenen Fonts schmücken die Vollbärtigen ihre Designs. Allgegenwärtig sind nun eisige, karge Landschaftsaufnahmen, monochrom und stilisiert – genau wie die Typografie darauf. Das technische, futuristische Flair spiegelt durch seinen kantigen Stilmix den heutigen Zeitgeist perfekt wider; dass manche der Trend-Schriften inzwischen Jahrzehnte alt sind, spielt dabei keine Rolle. Sanfte Vertreter sind hier die Brandon, richtig krachen lassen kann man es mit der Diamonds, High Tide oder Baron Neue.
4. Letterpress-Style
Der Text ist frisch gedruckt, in der Luft hängt der feine Geruch von feuchter Farbe, man spürt noch die eingeprägten Umrisse der Buchstaben unter den Fingerspitzen – da kommen glatt nostalgische Gefühle auf. Aber solch ein Druckerlebnis im heutigen, digitalen Zeitalter nicht mehr allgegenwärtig. So begannen immer mehr bekennende Print-Enthusiasten, ihre Sehnsüchte nach dem guten alten Bleisatz gleich in der digitalen Typografie unterzubringen. Der Trend besteht aus meist fetten, leicht antiquiert anmutenden Versalien, welche oft mit übersteigertem Textur-Effekt versehen sind – Makel sind hier die neue Vollkommenheit. Gerne werden in der Gestaltung blockartige Zeilen mit verschiedenen Fonts wie der Nexa Rust oder der Letterpress Text untereinander gebildet, welche am Schluss dennoch durch den gemeinsamen Stil ein einheitliches Bild ergeben. Alte Typoregeln wie nur zwei Schriften in einem Design verwenden werden hier überfällig.
5. Rounded Fonts
Dunkin Donuts, Skype und tegut machen es vor – Rounded Fonts sind wieder zurück. Als die merklich rund geformten und oft etwas ausladenden Schriften das letzte Mal im Trend lagen und beispielsweise die Logos von ZDF, VW und Aral prägten, wurden die meisten von uns gerade erst geboren. Dank der damals doch recht einheitlichen Gestaltung der regionalen Bäckereien kennt jeder Schriften wie die ITC Souvenir oder die Cooper Black – allerdings nicht immer in Freundschaft verbunden. An dieser Stelle bleibt es am besten unerwähnt, dass die allseits beliebte Comic Sans auch zu den gerundeten Schreibschriften gezählt wird. Aus ihrer eher konservativen Ecke hebelten sich die Rounded Fonts mit dem Aufkommen des Social Web: Ihre doch weich anmutenden Formen, die meist geometrisch und gut lesbar sind, erwecken einen jungen und sympathischen Eindruck. Diesen machte sich erst zuletzt Google zu Eigen und präsentierte sein neues, doch ziemlich jugendlich wirkendes Logo. Wer es selber ausprobieren mag, kommt mit der VAG Rounded oder abgeschwächt mit der DIN Rounded auf seine Kosten.
6. Back to the Roots
Bei allem Experimentierwillen muss man dennoch zugeben, dass es einen Grund gibt, dass Schriften wie Baskerville, Gill, Univers und Bodoni „Klassiker“ sind – sie sehen einfach immer gut aus und passen zu jeder Gestaltung. In jüngster Vergangenheit war es allerdings oft verpönt, zu einem solchen Klassiker zu greifen. Welcher junge Designer erinnert sich nicht mehr an die hochgezogenen Augenbrauen seiner verstaubten Design-Professoren, wenn sie in ihren Projekten Schriften wie die Futura verwendeten? Doch inzwischen ist die neue Generation am Start, kaum einer stammt noch aus der Entstehungszeit dieser berühmten Schriften und verbindet mir ihr Altbackenes. Will man also auch 2016 wieder eine schöne, gut spationierte und ausgewogene Schrift für sein neues Projekt wählen, macht man mit Garamond und Co einen guten Griff. Neu ist nur, dass der beliebteste Schnitt bei Grotesk-Schriften wie Futura nicht mehr Regular oder Medium ist, sondern Light und Thin, bei welchen der Strichstärkenkontrast nur eine untergeordnete Rolle spielt. In der aktuell sehr populären Kombination mit Bold- und Black-Schnitten kann man fast jedes Plakat oder Corporate Design ausgewogen und modern gestalten.