Kritik zu üben ist meist einfacher als Kritik einzustecken. Denn wenn Du auch ehrlich zu Dir bist: Kritik hört eigentlich niemand gern. Umso wichtiger ist es, dass Du mit kritischen Worten oder einer eher negativen Bewertung der eigenen Arbeit umzugehen weißt. Zugegeben ist das sicherlich nicht immer einfach. Doch wir haben hier ein paar praktische Tipps gesammelt, damit Du bei der nächsten kritischen Begutachtung durch den Auftraggeber vielleicht auch noch etwas lernen kannst und Deine Kreativität dadurch sogar noch steigern kannst.
In einer Zeit der permanenten Bewertungsmöglichkeiten, ist Kritik vielfach nur ein Mittel, um Dampf abzulassen, abhängig von der persönlichen Stimmung. Auf Facebook wird heftig kommentiert, wenn einem ein Posting nicht gefällt, in Blogs werden strenge Kommentare hinterlassen und Auftraggeber greifen auch mal gerne zum Telefon, wenn die Ausführung nicht passt oder schreiben eine knappe Mail, wenn die Umsetzung in ihren Augen misslungen ist. Darüber hinaus wird bei Pitches kritisiert und schon in der Schule oder der Uni sollen wir mit Kritik umgehen lernen, wenn nach Referaten ausführlich über Pro und Contra des Vortrags debattiert wird. Learnings? Meist keine.
Der gute Goethe hat auch zu diesem Thema wieder einmal ein paar schöne und treffende Worte gefunden, die wir Dir hier nicht vorenthalten wollen. Sein Gedicht bezieht sich zwar auf den Rezensenten eines literarischen Werks, kann aber ebenso auf Auftraggeber übertragen werden.
Rezensent
Da hatt ich einen Kerl zu Gast,
Er war mir eben nicht zur Last;
Ich hatt just mein gewöhnlich Essen,
Hat sich der Kerl pumpsatt gefressen,
Zum Nachtisch, was ich gespeichert hatt.
Und kaum ist mir der Kerl so satt,
Tut ihn der Teufel zum Nachbarn führen,
Über mein Essen zu räsonieren:
„Die Supp hätt können gewürzter sein,
Der Braten brauner, firner der Wein.“
Der Tausendsakerment!
Schlagt ihn tot, den Hund! Es ist ein Rezensent.
Somit kommen wir erst einmal zum Wesen der Kritik. „Konstruktiv“ soll sie sein und „ehrlich“. Den zweiten Aspekt hat schon ein britischer Staatsmann treffend formuliert:
„Ehrlichkeit ist der schönste Juwel der Kritik.“
Benjamin Disraeli
In diesem Sinne hoffen wir, dass Du in allen Fällen immer ehrliche Kritik erhältst, die Deine Arbeit ohne Hintergedanken (zum Herausschinden eines Preisnachlasses) und mit der Absicht erreicht, Dir auch persönlich weiterzuhelfen.
Tipp 1: Sei aktiv und bitte frühzeitig um Feedback
Größere Aufträge können sich in der Kreativwirtschaft gerne über mehrere Monate hinziehen. Vom ersten Entwurf bis zum späteren Ergebnis sind viele Zwischenschritte nötig. In dieser Zeit können sich die Vorlieben des Auftraggebers ändern oder das Projekt erfordert eine Neujustierung.
Häufig kommt es deshalb vor, dass sich Texter, Designer oder Marketer nach der Auftragsvergabe in ihr Kämmerchen zurückziehen und bis zur finalen Abgabe vor sich hinarbeiten. Die Chancen, dass die Kritik des Auftraggebers dann negativ ausfallen kann, stehen dann bei mindestens 50:50.
Hole Dir am besten schon nach ersten Entwürfen Feedback vom Auftraggeber. Auf diese Weise näherst Du Dich seinen Wünschen schneller an und vermeidest eine harsche Kritik am Ende. Frühes Feedback kann außerdem motivierend für die weitere Arbeit sein. Zugleich zeigst Du, dass Du motiviert bist, das Projekt zielführend abzuschließen.
Tipp 2: Stelle Fragen
Ein guter Dienstleister möchte den Kunden zu einem gewissen Teil auch verstehen. Stelle deshalb vor oder nach dem Briefing Fragen, welche Dir Deine Arbeit erleichtern und Dir auch Negativkritik ersparen können. Manchmal können dies auch ganz banale Fragen sein. „Warum wollen Sie wirklich einen zitronengelben Elefanten, der auf einem Spielzeugauto tanzt als Logo?“ Schöpfe hier auch aus Deinem Erfahrungsschatz und nutze Dein Knowhow, um schon in einer frühen Phase vor dem Abschluss des Projekts auch eigene Vorschläge zu machen, die dem Kunden gefallen könnten.
Tipp 3: Höre bei Kritik gut zu
Wir tendieren alle dazu, bei geäußerter Kritik schnell auf Durchzug zu schalten. Immerhin verstehen wir ja etwas von unserem Handwerk und sind Experten darin. Deshalb soll der Auftraggeber unsere Entwürfe oder Umsetzungen auch so akzeptieren… Diese Haltung ist ungünstig. Versuche stattdessen lieber genau zuzuhören und einzuordnen, was Du tun kannst, um das Projekt im Sinne des Auftraggebers zu verbessern. Eine defensive Abwehrhaltung ist ebenso wenig angebracht. Bleibe lieber erst einmal offen für alle Äußerungen. Letztlich geht es nicht darum, Deine Vorstellungen durchzusetzen, sondern als Dienstleister solltest Du auch einen Servicegedanken pflegen, der in der Erfüllung von Kundenwünschen besteht.
Somit kommen wir schon zum nächsten Tipp, der Dir die offene Kritikhaltung erleichtern sollte.
Tipp 4: Nimm Kritik nie persönlich
Wenn Deine Arbeit in einem Gespräch oder Telefonat kritisiert wird, geht es primär NICHT um Deine Person. Sicherlich hast Du auch eigene Ideen und Deine Kreativität investiert. Bewertet wird jedoch nur ein Produkt. Negatives Feedback ist somit keiner Niederlage der eigenen Persönlichkeit gleichzusetzen. Vielmehr kannst Du die Kritikpunkte als Chance sehen, Dich zu verbessern. Manchmal kann es auch sinnvoll sein, negative Kritik aufzuschreiben, um ihr den persönlichen Charakter zu nehmen. Um die Atmosphäre zu entspannen kannst Du Deinem Auftraggeber auch erst einmal einen Dank für das Feedback aussprechen, das Dir bei Deiner Arbeit für Ihn weiterhilft.
Tipp 5: Kritik ist immer subjektiv
Viele Menschen neigen dazu, bei Kritik sofort zu globalisieren und einen Kritiker auf die gesamte Arbeit zu übertragen. In diesem Fall solltest Du einmal selbst ein Resümee Deiner Arbeit ziehen. War da wirklich alles schlecht? Haben alle Kunden zu Dir gesagt, dass Deine Umsetzung schlecht ist? Mit Sicherheit wirst Du feststellen, dass dieses Negativ-Feedback nur eines von vielen ist. Aber so ist nun einmal das Leben. Es gibt nicht immer nur Sonnenschein. Du kannst Dir letztlich auch überlegen, welche Aspekte der negativen Kritik Du wirklich verinnerlichen möchtest. Vielleicht gibt es ja einige Dinge, die nur für diesen speziellen Auftrag geändert werden müssen, die andere Kunden aber sehr positiv bewerten.
Tipp 6: Denke über das Feedback nach
Nachdem Du Dir Kritik offen angehört hast, solltest Du natürlich auch darüber nachdenken. Auch hier ist der schnelle Abwehrreflex häufig präsent. Versuche ihn aber zu unterdrücken. Ist es wirklich wichtig, eine Ausrede dafür zu finden, dass der Designentwurf tatsächlich etwas zu bunt geworden ist oder dass die Schriftart wirklich nicht zum Logo passt? Wenn man über das Feedback reflektiert, kommt man häufig zu dem Schluss, dass der Auftraggeber in einigen Punkten wirklich konstruktive Kritik geäußert hat, die einen auch in seiner beruflichen Entwicklung weiterbringt. Natürlich solltest Du auch nicht zu lange über Feedback brüten und Dich klein machen. Aber Nachdenken über das Gesagte oder Geschriebene ist nie falsch.
Fazit
Wir haben ja schon darüber geschrieben, welche Kundenaussagen Grafik-Designer in den Wahnsinn treiben. Kritik gehört in vielen Fällen sicherlich auch dazu, vor allem dann, wenn sie offensichtlich unangemessen, falsch, unberechtigt, hinterhältig, unehrlich, frech, dreist und… STOPP Du hast jetzt einige Tipps erhalten, wie Du mit Kritik umgehen kannst. Gehen wir davon aus, dass sie immer ehrlich gemeint ist. Dann atme durch, sammle Dich und nutze Deine Kreativität, um Deine Arbeit einfach gut zu machen 😉
Hallo Michael,
vielen Dank für deine tolle Zusammenfassung. Du hast in allen Punkten vollkommen recht.
Vor allem der Aspekt, dass einen Kritik auch weiterbringen kann und man daraus lernt, ist vielen nicht bewusst. Leider habe ich schon oft erlebt, dass Kritik persönlich genommen wird. Wir sind alle nicht fehlerfrei und dessen sollten wir uns auch bewusst sein. Natürlich macht der Ton die Musik, aber schnelles Gegenschießen bringt da auch nichts. Im Gegenteil, daraus entstehen meist wirkliche Probleme.
Ich hoffe, dass sich viele deinen Beitrag durchlesen und auch zu Herzen nehmen :)!
Viele Grüße Hella