
Eine gute Marke zeichnet sich nicht durch ein hübsches Logo oder eine schöne Farbe aus. Sie ist das grundlegende Versprechen eines Unternehmens, das an jedem Kontaktpunkt eingelöst werden muss. Dies gilt insbesondere im B2B Marketing, wo eine Kaufentscheidung auf langfristiger Geschäftsbeziehung und rationalen Überlegungen beruht. Hier macht sich das Corporate Design von einem visuellen Erscheinungsbild zu einem strategischen Instrument zur Gestaltung der Markenerfahrung breit.
Die Brand Experience umfasst jeden in Frage kommenden Kontaktpunkt, den der potentielle Geschäftspartner mit dem Anbieter unterhält, vom ersten Googleergebnis bis zum persönlichen Gespräch auf der nächsten Fachmesse. Die Herausforderung dabei ist, aus den unzähligen Kontaktpunkten, die ein Geschäftspartner mit seinem Anbieter hat, vom ersten Googleergebnis bis zum persönlichen Gespräch auf der nächsten Fachmesse, eine sinnvolle Anordnung der Berührungspunkte zu erarbeiten, um aus der Vielzahl an Einzelmaßnahmen eine klare und schlüssige Markeninszenierung zu entwickeln, die sowohl Aufmerksamkeit erregt als auch Vertrauen aufbaut und damit die Geschäftsbeziehung initiiert.
Die strategische Grundlage: Vom Designhandbuch zur Touchpoint-Map
Jede konsistente Markenführung baut auf einem Fundament auf. Ein gutes Corporate-Design-Handbuch definiert die visuellen und tonlichen Basiselemente: die Verwendung des Logos, Farbwerte, Typografie, Bildsprache, sogar den Grundton der Kommunikation. Das ist aber erst der Ausgangspunkt. Der nächste strategische Schritt besteht in der Erstellung einer Touchpoint-Map. Diese visuelle oder tabellarische Übersicht erfasst und katalogisiert sämtliche Berührungspunkte in der Customer Journey eines B2B-Kunden.


Ziel der Analyse ist es, Lücken und Brüche in der Markendarstellung frühzeitig zu entdecken. Ein Unternehmen kann eine hochmoderne Website haben, solange die auf einer Messe ausgegebene Broschüre veraltet wirkt oder der Messestand sich als Bausatzqualität entpuppt, ist der Eindruck unglaubwürdig. Laut Studien, wie etwa denen des Design Management Institute, übertreffen designgeführte Unternehmen durchaus auch einmal über einen Zeitraum von zehn Jahren die an der Börse notierten Indizes wie z.B. den S&P 500.
Dieser Vorteil ist durch konsequente Anwendung von Designprinzipien in allen Bereichen des Unternehmens zu erklären. Die Touchpoint-Map macht diese Bereiche sichtbar und priorisiert sie nach ihrer Wirkung auf den Kaufentscheidungsprozess, sodass man sicherstellen kann, dass die eigenen Ressourcen in die Gestaltung der wichtigsten Kontaktpunkte fließen.
Die Touchpoint-Gestaltung in der Praxis
Die praktische Umsetzung dieser Designleitlinien auf die verschiedenen identifizierten Kanäle muss diszipliniert vorgenommen werden, da jeder Touchpoint eigene technische, funktionale und emotionale Anforderungen stellt.
Digitale Touchpoints sind in der Regel heute der erste und prägende Kontakt. Hier muss Design also nicht nur schön, sondern auch funktional und nutzerfreundlich (User Experience/UX) gestaltet sein. Die Website muss intuitiv navigierbar sein, komplexe B2B-Inhalte verständlich präsentieren. Standardisierte Templates für PowerPoint oder technische Datenblätter garantieren, dass auch am dezentralen Ort gebastelte Dokumente einen gleichen Markeneindruck hinterlassen und professionellen Anstand ausstrahlen.
Die Bildsprache in Fotografie, Illustration oder Videocontent muss den Unternehmenswert und die Ansprache der Zielgruppe widerspiegeln; technische Neuerung und Präzision lassen sich nun mal anders visualisieren als beratungsintensive, partnerschaftliche Dienstleistungen.



Physische Touchpoints haben im B2B-Bereich nach wie vor hohe Relevanz, da sie haptisch erfahrbar und damit besonders glaubwürdig sind. Die Qualität des Papiers einer Visitenkarte, die Verarbeitung eines Produktmusterkoffers oder die Funktionalität und Ästhetik des Messestandes geben unmittelbare Signale über die Wertschätzung, die das Unternehmen seinen eigenen Produkten und dem Besucher entgegenbringt. Besonders der Messeauftritt ist ein hochverdichteter, multidimensionaler Touchpoint, der gestalterische, architektonische und interaktive Kompetenzen zusammenführen muss.
Messung und Optimierung: Der Kreislauf der Markenerfahrung
Die Gestaltung der Touchpoints ist kein einmaliges Projekt, sondern der Startschuss für einen kontinuierlichen Kreislauf der Beobachtung und Optimierung. Um empirisch zu verstehen, ob die intendierte Markenerfahrung beim potenziellen Kunden ankommt und tatsächlich die gewünschte Wirkung erzielt, sind produktives Feedback und aussagekräftige Kennzahlen notwendig.
Für digitale Touchpoints bieten sich bewährte Werte wie die Verweildauer auf bestimmten Service- oder Produktseiten, die Conversion-Rate von Besuchern zu Kontakten oder die Interaktionsquoten auf fachlichen Social-Media-Posts an. Für physische Touchpoints, insbesondere Messen, ist sowohl quantitative als auch qualitative Information wichtig: die Zahl der qualifizierten Gespräche, der Lead-Umsatz, die Reichweite von Präsentationen am Stand und die Befragung der Besucher zu ihrer Kompetenzwahrnehmung und dem Auftritt.


Hier ist eine methodische Herangehensweise gefordert. Bewährte Modelle wie der Net Promoter Score (NPS) lassen sich zum Beispiel nutzen, um die Weiterempfehlungsbereitschaft nach einem Messe-, Schulungs- oder Beratungskontakt abzufragen. Apropos moderne Ansätze: Die Customer Effort Score (CES)-Methode bewertet, wie leicht oder schwer es dem Interessenten gefallen ist, die gewünschte Information zu erhalten oder den richtigen Ansprechpartner zu finden. Genau das ist eine für die Optimierung von Touchpoints wichtige Kenngröße.
Die gewonnen Daten und Eindrücke sollten in einen regelmäßigen, institutionalisierten Review-Prozess mit allen beteiligten Abteilungen (Marketing, Vertrieb, Design) zurückfließen. In diesem Prozess wird sich zeigen, ob einzelne Touchpoints schwächer performen als andere, ob neue Kommunikationskanäle (z. B. Fach-Communities, Podcasts oder neue Eventformate) in die Touchpoint-Map aufgenommen werden müssen oder ob Teile des Corporate Designs an neuen Touchpoints nicht praktikabel sind. Und so entwickelt sich die Markenerfahrung Schritt für Schritt weiter: durch systematische Planung, konsistente Gestaltung, objektive Messung und konsequente Anpassung. So bleibt die Markenerfahrung skalierbar und gleichzeitig für die anspruchsvolle B2B-Zielgruppe relevant, überzeugend und wettbewerbsdifferenzierend.
Zur vertiefenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Markenführung und Customer Journey empfehle ich die Publikation „Brand Touchpoint Analysis“ im Journal of Marketing Management. Die konsequente Umsetzung einer durchgestalteten Markenerfahrung über alle Touchpoints hinweg ist letztlich eine strategische Investmententscheidung in die wahrgenommene Professionalität, Zuverlässigkeit und Kompetenz des Unternehmens. Und das sind im B2B-Geschäft genau die Parameter, die über Auftragsvergabe und den Aufbau langfristige Partnerschaften entscheiden.
